Einen eigenen Weg finden, den individuellen Lebensweg einschlagen – vermutlich ein Unterfangen, das nicht gelingen kann, weil Wege erst beim Gehen entstehen. Oft steht man an Abzweigen, muss man sich entscheiden, läuft in Sackgassen, muss einen Schritt zurück. Jeder kennt aus seinem Leben solche Wendepunkte. Einer, der seinen individuellen Weg gefunden hat, ist Rechtsanwalt und Steuerberater Thomas Bittorf. Selbständigkeit, politisches Engagement, gesellschaftliches Einbringen, alles das gehört dazu. Wir haben uns mit ihm unterhalten.
Warum haben Sie sich für den Beruf Rechtsanwalt und Steuerberater entschieden?
Thomas Bittorf: Gute Frage. Das hängt zum einen sicherlich mit meinem Vater zusammen, der ein sehr guter und erfolgreicher Rechtsanwalt war. Die Richtung war damit irgendwie vorgegeben. Mathematik fand ich auch immer spannend und so ergeben Recht und Mathe zusammen den Steuerberater. Recht zu erhalten bringt natürlich auch innere Bestätigung. Sich für die Interessen anderer einzusetzen, hat etwas Gutes macht und macht innerlich glücklich, zumindest meistens.
Den eigenen Lebensweg, glauben Sie, dass man ihn wirklich selbst bestimmen kann?
TB: Auf jeden Fall. Natürlich spielen die eigene Gesundheit und die Lebensumstände eine Rolle, aber jeder kann frei entscheiden, welchen Weg er nimmt. Im Leben eröffnen sich immer wieder Möglichkeiten und Türen, durch die man eine andere Richtung nehmen kann. Ich habe mittlerweile gelernt, dass es in diesen Situationen besser ist, auf seinen Bauch oder sein Herz zu hören, als mit dem Kopf zu entscheiden. Man übernimmt in der Jugend oft die Ansichten und Einstellungen seiner Eltern, wie diese wiederum selbst von ihren Eltern geprägt waren. Das ist in einer Familie auf der einen Seite natürlich und per se nichts Schlechtes. Man muss nur rechtzeitig schauen, dass man trotz aller Prägungen und Ratschläge sein eigenes Leben lebt und nicht das der anderen. Das erfordert Verantwortung, Mut und Konsequenz. Weise Leute sagen ja, dass man eines Tages nicht das bereut, was man vielleicht falsch gemacht hat, sondern das, was man nicht gemacht hat. Das Leben findet nur einmal statt und das ist genau jetzt in diesem Moment.
Sie sind schon lange in der Politik, waren im Stadtrat, was war der Antrieb?
TB: Lange ist relativ, es gibt Kollegen wie Herrn Dr. Eidt, die sind seit 40 Jahren im Stadtrat, und viele andere sind auch schon mehr als 20 Jahre dabei. Insofern sind 6 Jahre Stadtrat überschaubar, auch wenn ich schon seit 2008 politisch aktiv bin. Damals war ich noch idealistisch und wollte unbedingt mitreden und die Richtung mitbestimmen können. In der Coburger CSU habe ich das auch ganz gut geschafft.
Ich finde, im Gemeinwesen aktiv und auch politisch zu sein, gehört zur menschlichen Natur. Es gibt sehr viele, die sich für andere – in welcher Form auch immer – ehrenamtlich engagieren. Politik ist eine Form davon, zumindest auf kommunaler Ebene. Man kann leicht von außen Kritik üben und über den Stadtrat schimpfen, aber wenn man etwas in einer Stadt voranbringen will, ist der direkteste Weg über den Stadtrat, in dem die Weichen für eine Kommune gestellt werden.
Warum sind Sie nicht mehr im Stadtrat, haben Sie nicht mehr kandidiert?
TB: Die Stadtratstätigkeit hat mir zwar Spaß gemacht, jedoch war der zeitliche Input enorm, das spürt man gerade als Selbstständiger. Der Output – was ich und andere, die ähnlich denken, am Ende erreicht haben, war hingegen übersichtlich. Jetzt sind diejenigen im Stadtrat, die dafür brennen und voller Idealismus sind. Ich unterstütze dabei natürlich weiterhin gerne. Aber ich konzentriere mich jetzt voll auf die Weiterentwicklung meiner Kanzlei und meiner Mitarbeiter.
Und wofür brennen Sie?
TB: Ich bin vielseitig interessiert und will stets neue Grenzen austesten. Anderen zu helfen, macht mich glücklich, sowohl beruflich als auch im privaten Umfeld. Meine Kanzlei ist am Wachsen und soll größer und vernetzter werden.
Seit ein paar Jahren laufe ich regelmäßig, dadurch wird der Kopf frei. Der NY-Marathon ist für 2021 geplant. Ich liebe Wasser und das Meer, Surfen war immer mein Traum. Vor drei Jahren habe ich mit dem Kitesurfen in Spanien angefangen, das ist echt unbeschreiblich. Meine 10-jährige Tochter findet das auch cool, und ich sie sowieso (lacht!). Mit Spanien, der Heimat meiner Frau, verbindet mich emotional sehr viel. Ich koche sehr gerne, am besten für viele, mit Familie und Freunden. Am nächsten Tag muss dann wieder Sport sein. Auch die innere Ruhe zu finden, gelingt mir noch nicht immer. Meditation und Yoga zu „lernen“ – letztendlich ist das ja auch eine Art Geisteshaltung – stehen in der Priorität daher ganz weit oben.
Politisch interessiert sind Sie aber nach wie vor?
TB: Klar, das ist eine Lebenseinstellung, und wir werden ja bald den ersten bayerischen Bundeskanzler der deutschen Geschichte haben (lacht!). Vielleicht liegt es am Alter, aber mich interessieren mittlerweile mehr die großen Themen. Wieso warnen wir beim Verkauf von Zigarettenschachteln vor dem Lungenkrebs, während entsprechende Warnhinwiese und Bilder z.B. auf allen Wurstprodukten fehlen? Nicht dass ich nicht auch mal noch gerne ein Steak esse … Ich habe wahrscheinlich schon Wurst und Fleisch für drei Leben gegessen! Aber im Ernst: Die Auswirkungen der Ernährung auf die persönliche Gesundheit und die gesamte Umwelt sind für den Planeten vermutlich entscheidender als alle Dieselfahrverbote, Flugreisen und Kreuzfahrten zusammen.
Welcher Themen muss sich Coburg für eine erfolgreiche Zukunft annehmen?
TB: Coburg muss sich entscheiden, ob es dabei bleibt, ein Rentnerparadies zu werden oder ob wir versuchen, attraktiv für Coburg-Rückkehrer und junge Leute und Familien zu werden. Wir haben hervorragend aufgestellte Unternehmen, die mit solchen in Mittel- und Großstädten um Fachpersonal konkurrieren. Das Altern gehört zum Leben, aber ich würde als Rentner lieber in einem von jungen Leuten pulsierenden Coburg leben als nur Gleichaltrige zu sehen. Dafür müssen wir mehr Politik für junge Leute machen und mehr Geld für diese Gruppe investieren, z.B. mehr Bauplätze und trendige Freizeitaktivitäten, wie einen Trampolinpark, eine stehende Welle in der Itz oder eine Wakeboardanlage. Wie viele Leute z.B. werden in 15 oder 20 Jahren noch regelmäßig ins Theater gehen? Mit dem Globe wird nun endgültig ein perfekt ausgestattetes, neues Theater entstehen, und zwar auf Dauer. Man sollte dann über eine neue Nutzung des bisherigen Landestheaters an dem schönsten Platz in Coburg nachdenken, was auch immer. Hauptsache, es hat einen Nutzen – auch tagsüber und auch für die jüngere und mittlere Generation. Wir haben mit Sebastian Straubel einen jungen Landrat und mit Dominik Sauerteig einen jungen OB. Ich wünsche Ihnen die Kraft und den Mut, mehr Politik für ihre Generation zu machen und sich zusammen zu vernetzen, auch mit der Region von Lichtenfels bis Bamberg.
Sie engagieren sich ja schon für junge Menschen, damit die ihren individuellen Weg finden. Woher kommt der Antrieb, sich da so einzusetzen?
TB: Das sind persönliche Erfahrungen, die ich aus mehreren Mind-Management und Führungskräfte-Seminaren mitgenommen habe. Vereinzelte Teilnehmer hatten erstaunlicher Weise ihre pubertierenden Kinder dabei, die noch ein Jahr zuvor erhebliche Schul- oder teilweise auch Drogenprobleme hatten. Die Kinder berichteten dann voller Dankbarkeit über ihre positiven Entwicklungen im vergangenen Jahr. Das war sehr authentisch, aber auch berührend, weil man den Reifeprozess mitbekommen konnte. Ich wollte diese Erfahrung mit nach Coburg bringen und möglichst vielen Jugendlichen hier zugänglich machen. Letztendlich geht es um das Setzen von klaren und mutigen Zielen, die man alle erreichen kann, wenn man täglich in kleinen Schritten, aber konsequent über lange Zeit daran arbeitet. Man darf nicht aufhören, an sich selbst und das Ziel zu glauben, dass es irgendwann klappen wird und muss Vertrauen in das Leben haben. Zusammen mit Max Beyersdorf veranstalte ich deshalb seit 3 Jahren mit Unterstützung des Rotary Clubs und einiger Sponsoren im Kongresshaus einen Motivationsvormittag für die 9. bis 11. Klassen der Coburger Schulen. Das ist ein kritisches Alter, man steht kurz vor dem Schulabschluss und weiß manchmal vielleicht nicht weiter und alle reden auf einen ein. Es geht darum, einmal ein paar Stunden innezuhalten, sich wieder oder neu zu sortieren und dann mit hoffentlich voller Energie durchzustarten. Und selbst wenn es nur bei einigen Teilnehmern zu einer positiven Veränderung führt, hat es sich schon gelohnt.